(uh) Eigentlich dürfte Angela Merkel nicht mehr im Amt sein, nicht als CDU-Chefin und auch nicht als Kanzlerin. Seit sie 2000 erstmals zur CDU-Vorsitzenden gewählt wurde, sagten Journalisten immer wieder ihr politisches Ende voraus. Kaum ein Parteitag, vor dem nicht über ihre vermeintliche Schwäche und den Widerstand in den eigenen Reihen geschrieben wurde. Stets endete es wie jetzt in Hannover: mit einem guten Wahlergebnis.

Geduld aufgebracht

Für etliche Journalisten wäre es wohl kein Vergnügen, wenn sie ihre alten Artikel über Merkel noch einmal lesen müssten. Ihr ergeht es mit Journalisten fast so wie Helmut Kohl. Auch er wurde oft platt geschrieben, und gewann dennoch immer wieder seine Wahlen.

Wie über Kohl kursieren auch über Merkel Stereotypen. Seit Jahren verbreiten politische und journalistische Gegner die Mähr, sie habe alle Konkurrenten ausgeschaltet. Als Beleg wird eine lange Opfer-Liste präsentiert, die von Merz und Oettinger über Koch und Rüttgers bis zu Röttgen und Wulff reicht.

Tatsächlich haben sich diese ambitionierten Männer gegenseitig blockierten und im Laufe der Zeit selbst demontierten. Merkel brachte vor allem viel Geduld auf, um ihre Konkurrenten zu überdauern. Die meisten nahmen sich irgendwann entnervt selbst aus dem Rennen. Sie waren nicht aus Kanzler-Holz geschnitzt.

Leises Machtgefüge

Auch die Behauptung, Merkel führe und profiliere die Partei nicht, geht an der Sache vorbei. Merkel stützt sich in der Partei auf stabile Machtstrukturen, die sie bereitwillig tragen. Dazu zählen große Bezirke, aber auch große Teile der Vereinigungen, vorneweg die Frauen.

Im Ernstfall kann Merkel Mehrheiten für sich und ihre Ziele organisieren. Keiner ihrer vermeintlichen Konkurrenten hatte zu seiner Zeit in der Partei eine ähnlich große Reichweite wie sie. Sie muss ihre Macht nicht demonstrieren. Ihr Machtgefüge wirkt leise.

Wie gut es funktioniert, lässt sich an den Diskussionen in der Union beobachten. Sie laufen oft recht heftig ab. Merkel lässt sie laufen. Die Partei steht unter Spannung, seit die Vorsitzende daran ging, sie näher an die SPD und deren Themen zu rücken. Bisher gelang es Merkel stets, die auseinander strebenden Positionen und ihre Exponenten rechtzeitig einzufangen.

Ihre Autorität in der Partei speist sich auch aus dem Ansehen, das sie bei den Bürgern genießt. Die unaufgeregte, beharrliche Art, in der sie ihre Arbeit erledigt, beeindruckt sogar viele Anhänger der Oppositionsparteien.

Vertrauen gebildet

Merkel spitzt nicht zu. Sie polarisiert nicht. Sie provoziert nicht. Darin unterscheidet sie sich von ihrem SPD-Herausforderer Steinbrück. Eskapaden, wie er sie sich in den vergangenen Monaten leistete, sind von ihr nicht zu erwarten. Anders als er vermeidet sie jede Irritation. Sie beruhigt und besänftigt. So bildet sie Vertrauen.

Journalisten kritisieren sie oft mit guten Gründen und gelegentlich auch sehr heftig. Die Mehrheit der Bürger beeindruckt das Medienecho offensichtlich nicht. Merkels Vertrauenswerte stehen seit langem auf Rekordniveau. Gerade viele der Menschen, die fürchten, sie könnten in der EU-Krise vieles oder gar alles verlieren, setzen auf sie, weil sie die Kanzlerin für berechenbar und verlässlich halten.

Der Opposition ist es bisher nicht gelungen, in Merkels Bollwerk Breschen zu schlagen. SPD und Grüne kritisieren ihre Politik und stimmen ihr doch zu. Die Bürger machen sich darauf ihren eigenen Reim. Seit Merkel 2000 zur CDU-Chefin gewählt wurde, tauschte die SPD sechs Mal ihren Vorsitzenden aus. Auf diese Weise trug auch sie dazu bei, Merkel zu stärken.

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