(uh) Eine der größten Herausforderungen für Politiker ist das Amt des Generalsekretärs. Es lockt mit den Vorteilen der Prominenz. Es beschert seinen Inhabern mehr Aufmerksamkeit als ihren Kollegen. Es kann die Inhaber aber auch bloßstellen. Die aktuellen Generalsekretäre schweben in dieser Gefahr.

Keiner wirklich souverän

Sie sind von ihren Parteichefs abhängig, die ihren Aktionsradius bestimmen. Selten haben Generalsekretäre so viel Gewicht, dass sie sich neben dem Parteichef behaupten können. Geißler unter Kohl war eine Ausnahme. Parteichefs neigen dazu, den Posten mit Leuten zu besetzen, die sich fügen. Wer das Amt unter dieser Bedingung annimmt, stempelt sich selbst als zweite Charge ab.

Parteichefs nutzen die Generalsekretäre gern, um unangenehme Dinge abzuwälzen. Beim jüngsten Koalitionsgipfel traten nicht die Vorsitzenden, sondern die Generalsekretäre vor die Presse. Jedem kundigen Thebaner war klar: Es ging um weniger wichtige Dinge. In der Bedeutungshierarchie der Themen und Personen wäre dieser Auftritt nur noch durch den der Pressesprecher zu unterbieten gewesen. Das hätte den Gipfel dann doch zu weit abgewertet.

Die amtierenden Generalsekretäre haben mit ihren Aufgaben zu kämpfen. Keiner erledigt sie wirklich souverän. Es fällt ihnen schwer, sich mit eigenen Akzenten zu profilieren. Ständig droht ihnen die undankbare Rolle des Blitzableiters.

Fehlende Statur der Chefs

CDU-Generalsekretär Gröhe fällt durch Schweigen auf. Zu den Themen, die in der Partei diskutiert werden, hört man kein Wort. Ab und an offenbart er pastorale Züge. Er kann ein ganzes Interview zum Thema „christliche Werte“ bestreiten. Doch wohin sich die Partei entwickeln soll, erfährt man von ihm nicht. Merkel hat ihn wohl ausgewählt, um die Partei ruhig zu halten. Er strebt danach, den Mitgliedern in dieser Hinsicht Vorbild zu sein.

Anders liegt der Fall der SPD-Generalsekretärin Nahles. Während Gröhe zumindest die Gunst der Kanzlerin genießt, steht Nahles hinter der SPD-Troika auf verlorenem Posten. Man könnte meinen, die Troika sei gebildet worden, um sie als Vertreterin des linken Flügels klein zu halten. Gabriel und Steinbrück meierten sie öffentlich ab, zum Teil auf empörend ungehörige Weise. Seit Kurt Beck schwach wurde, verlor Nahles Schutz und politisches Gewicht. Man fragt sich, warum sie sich das Amt noch antut.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat damit zu tun, seine Unerfahrenheit zu verbergen. Selbst wenn er ein Gigant wäre: Er würde es nicht schaffen, seinen Vorsitzenden Rösler als treibende Kraft der Bundespolitik darzustellen. Der Fall Döring zeigt, dass Generalsekretäre auch unter der fehlenden Statur ihres Chefs Schaden nehmen können.

Alexander Dobrinth, Generalsekretär der CSU, hat diese Sorge nicht. Er leidet eher darunter, dass er an seinen Vorgängern gemessen wird. Die CSU brachte einige fähige Generalsekretäre hervor, die ihre Karriere nach dem Amt erfolgreich fortsetzten. Man denke nur an Stoiber. Dobrinth wirkt gelegentlich unreif. Er ist damit beschäftigt, sich zu stylen. Dass er eine Idee von der Zukunft der CSU hat, vermutet man eher nicht.

Absprung aus eigener Kraft

Die Grünen haben an Stelle eines Generalsekretärs eine politische Geschäftsführerin. Steffi Lemke kommt zwischen den profilsüchtigen Vorständlern kaum zur Geltung.  Sie wirkt wohl vor allem nach innen. Die Linke beschränkt sich auf einen Geschäftsführer. Matthias Höhn trat bisher kaum in Erscheinung. Er beschränkt sich wohl darauf, den Apparat der Partei zu verwalten, eine Aufgabe, die auch die Generalsekretäre wahrnehmen.

Sie werden leicht zu Opfern, weil die Parteichefs sie fallen lassen können. Politik wird sehr stark über die Medien vermittelt. Vor allem die elektronischen Medien haben das Bedürfnis, Klischees zu bilden und Rollen zuzuweisen, um Politik zu vermitteln. Dabei haben es Generalsekretäre nur begrenzt in der Hand, ihre Rolle selbst festzulegen und zu behaupten. Sie werden leicht zum Prügelknaben (-mädel) abgestempelt.

Stets müssen sie damit rechnen, in Krisen zu stürzen und angeschlagen zurückzubleiben. Es sei denn,  sie schaffen rechtzeitig den Absprung aus eigener Kraft. Dann landen sie oft nicht mehr in der Politik, sondern im politiknahen Verbands- und Lobbyistenbereich. Die Zeiten, in denen die Parteien ihre Generalsekretäre anständig behandelten, weil sie sich für die Partei in den Wind hängten, neigen sich wohl dem Ende zu.

3 Comments

  1. Roland Appel Reply

    Schauen wir doch mal, woher diese Funktion kommt. In der KPdSU war der Generalsekretär der heimlich Allmächtige. Leonid Breschnew hatte das Sagen in der UdSSR – Präsident Kossigin war seine Marionette. In der Bundesrepublik gab es zwei Generalsekretäre, die diesen Namen verdienten, nicht weil sie heimlicher Parteichef waren, sondern weil sie in einer wichtigen historischen Phase die ideologische Richtung ihrer Partei formulierten – und einen solchen Geschäftsführer.

    Was war doch für die damals noch durch und durch liberale F.D.P. eine Persönlichkeit wie Karl-Hermann Flach wert, der mit nie wieder erreichter intellektueller Brillianz die Grundlagen für die sozialliberale Ära und einen sozialen Liberalismus legte. Sätze aus den „Freiburger Thesen von 1971“ (Rowohlt 1545) wie „Die liberale Reform des Kapitalismus erstrebt die Aufhebung der Ungleichgewichte des Vorteils und der Ballung wirtschaftlicher Macht, die aus der Akkumulation von Geld und Besitz und der Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen folgen.“ oder „Die Kehrseite des Eigentums ist das Nichteigentum der anderen“ sind heute angesichts des Armuts-und Reichtumsberichts von brennender Aktualität!
    Allerdings erkennen die Blindfische Lindner und Döring in ihrer autistisch rechten Ecke nicht, welche historische Chance aktuell in einem sozialen Liberalismus läge – sie verstehen vermutlich nicht einmal, was Flach damit meint, würden den Denker heute beim Verfassungsschutz anzeigen.

    Der andere war Heiner Geissler, der mit jesuitisch geschulter, dialektischer Schärfe der vermuteten Linken, die der sozialliberalen Ära entsprang, auch wenn sie wie die Bürgerinitiativen und Grünen allen Parteien mit Mißtrauen begegneten, ideologisch radikal entgegentrat. Ob er Pazifisten die Verantwortung für den Faschismus zuschob, Versatzstücke der katholischen Soziallehre gepaart mit solidem Antikommunismus gegen Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschafter in Feld führte, er war der intellektuelle Kopf der „Geistig moralischen Erneuerung“ Helmut Kohls Wenderegierung.

    Allein Peter Glotz konnte als Sozialdemokrat beiden das Wasser reichen, obwohl mit Erhard Eppler, Johano Strasser und dem frühen Lafontaine ja kluge Denker in der zweiten Reihe in der SPD nicht gerade selten waren.

    Schon Edmund Soiber, der sich an der Seite von Franz-Josef Strauß um die ideologische Festgung der CSU bemühte, musste an der Wortgewalt seines Vorsitzenden – unvergessen seine „Ratten und Schmeißfliegen“ für Linksintellektuelle – scheitern. Ebenso mittelklassig versuchte Günter Verheugen mit viel Fleiss zunächst 1980 die F.D.P. von „Wende“ und geistiger Verluderung abzuhalten, um dann in der SPD mit gleichem Fleiss und geringem Erfolg im selben Amt gegen sozialdemokratische Windmühlen zu kämpfen. Und Reinhard Bütikofer, Eberhard Walde und Steffi Lemke haben gemeinsam, dass Grüne Bundesgeschäftsführer pragmatische Gesichter haben, die ihre Vorsitzenden überdauern, weil sie pragmatische Kontinuität verkörpern, nicht Flügelschlagen.

    Ob Dobrindt oder Zu Guttenberg, Lindner oder Döring, Gröhe oder Nahles, sie waren oder sind die Handlanger ihrer Vorsitzenden, solange sie sich nicht emanzipierten und keine eigenen politischen Ideen in die Parteien trugen, sich nicht programmatisch aus der Deckung wagten. Wer seinen Job verfehlt, kann vielleicht noch Yzer’n oder Merz’en, Müller’n oder Koch’en gehen. Bangemann hat’s vorgemacht. Brauchen tut sie keiner wirklich.

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  3. Die SPD hatte schon einmal ein Troika.

    Da wurde eine fähige Frau verhindert.
    Finanzexpertin Matthäus-Meier.

    Nahm ein böses Ende.

    Machogetöse.

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