(uh) FDP-Chef Rösler hat Glück. Noch beschäftigt die Wulff-Affäre die Medien und die Öffentlichkeit.  Noch kann er sich mit seinem Elend und dem seiner Partei hinter der Empörungswelle wegducken, die gerade über Wulff hinweg rollt.

Doch sie wird bald auslaufen. Und dann werden die Hauptstadt-Journalisten ein neues Ziel suchen. Nach Lage der Dinge werden das wohl Rösler und die FDP sein. Sie tragen dazu bei, dass die Bundesregierung auf ziemlich wackligen Beinen steht. Eigentlich haben wir eine Regierungskrise. Auch das wird von der Wulff-Affäre verdeckt.

Die FDP steht seit zwei Jahren unter Dauerbeschuss. Das hat Folgen. In den Umfragen ist sie kaum noch zu erkennen. Mitten in der Euro-Krise, in der sich Europa neu sortiert und Deutschland stark gefordert wird, ist die kleine Regierungspartei, die über Jahrzehnte die Außenpolitik prägte, auf bestem Wege, sich zu zerlegen und aufzulösen.

Dass sich die FDP auf abschüssigem Boden bewegt, zeigte sich schon während der Amtszeit des langjährigen Vorsitzenden Westerwelle. Wie steil es bergab geht, war beim Wechsel von ihm auf Rösler zu beobachten. Der neue Parteichef brachte es nicht über sich, den Vorgänger kalt zu stellen. Ein Signal der Schwäche an Freunde und Gegner. Ein Vorsitzender, der seine Machtposition nicht nutzt, weil er sich die Finger nicht schmutzig machen will, flößt niemandem Respekt ein.

Inzwischen ist nicht mehr zu verbergen, dass Rösler ungeeignet ist, die Partei zu führen. Er mag ein netter Kerl sein. Parteiführer sind aus anderem Holz geschnitzt. Generalsekretär Lindner ging von der Fahne. Nachfolger Döring entlarvt sich als Dilettant. Er charakterisierte Rösler öffentlich als unbrauchbares Weichei. Alle nickten bestätigend und wunderten sich, dass Döring Rösler in den Rücken fiel. Mit so viel Dummheit konnte niemand rechnen.

Man sollte meinen, schlimmer könnte es nicht kommen. Doch es kann. Kaum aus den Weihnachtsferien, begann Angela Merkel, ihren hilflosen Vizekanzler zu düpieren. Am Dreikönigstag, an dem Rösler der FDP neue Impulse geben wollte, ließ sie die Koalition im Saarland platzen, ohne ihn zu informieren. Ein beispielloser Affront.

Kurz darauf startete sie den nächsten. Sie brachte die Transaktionssteuer ins Spiel, wohl wissend, dass Rösler sie ablehnt. Er reagierte wie erwartet: Er wies Merkels Vorstoß zurück. Ein Fehler, wie sich rasch herausstellte.

Er handelte sich den Vorwurf ein, das Geschäft der Großbanken zu betreiben und ihr Handlanger zu sein. Ein Verdacht, dem sich niemand in der mittelstandsfixierten FDP aussetzen würde, weil er als ehrverletzend empfunden wird. Rösler übersag das, zum Entsetzen vieler Liberaler. Prompt griff Schleswig-Holsteins FDP-Chef Kubicki Merkels Vorlage auf. Er widersprach Rösler entschieden.

Gleichzeitig gab er ihm öffentlich Ratschläge. Statt die Steuer abzulehnen, weil sie die EU spalte, solle er sich bemühen, Großbritannien für die Steuer zu gewinnen, riet Kubicki. Es klang gequält, so als müsse er Rösler nun auch noch das kleine Einmaleins der Politik beibringen. Es sollte wohl so klingen. Auch der Tonfall kann der Demontage dienen.

Kubicki muss im Mai Landtagswahlen bestehen. Er kann nicht davon ausgehen, sie im Schulterschluss mit Rösler zu meistern. Wenn es nicht mit ihm geht, dann muss es gegen ihn gehen. Kubicki hat sich entschieden, den schwachen FDP-Chef als Kontrast für die eigene Profilierung und die seiner Nord-FDP zu nutzen. Er wird sich keine Gelegenheit entgehen lassen. Und er wird Wirkung erzielen.

Rösler wankt. Er sitzt auf einer gespaltenen Partei. Er weiß nicht, wie er die FDP positionieren soll. Die Partei ist inhaltlich und personell ausgedörrt. Noch regiert sie in fünf Ländern, neben Schleswig-Holstein in Bayern, Hessen, Sachsen und Niedersachsen. Viel zu hören ist von ihr aus der Provinz jedoch nicht. Rösler amtiert auf Abruf.

Die Frage ist, wann er abgerufen wird, vor oder nach der Wahl im Norden. Viel Zeit hat die FDP nicht mehr zu verlieren. Sollte sich herausstellen, dass sie in Schleswig-Holstein einen Anschub braucht, um in den Landtag zu kommen, könnte sie Röslers Abgang ein paar Wochen vor der Wahl inszenieren, als eine Art Operation „Rückenwind“. Gelänge sie, könnte sich die FDP vielleicht doch noch bis zur Bundestagswahl berappeln.

Darauf setzen mag jedoch niemand mehr. In den anderen Parteien denkt man längst über die Zeit ohne FDP nach. Optionen werden durchgespielt und Schritte erwogen, wie sie am besten zu realisieren seien. Da ist dann wieder Schwarz-Grün im Spiel, aber auch die Große Koalition. Für die FDP, die kaum noch jemand auf der Rechnung hat, eine deprimierende Angelegenheit.

Zu Genschers Zeiten nutzte die FDP die Koalition mit der Union, um sich gegen die CSU zu profilieren. Selbst dazu reicht es heute nicht. Im Gegenteil. Kürzlich in Kreuth fand CSU-Chef Seehofer Worte des Mitgefühls, als er auf die FDP zu sprechen kam. Beim Versuch, aus der Krise zu kommen, werde die CSU die FDP in München und Berlin kollegial begleiten, versprach er.

Viele gestandene Liberale hielten sich Augen und Ohren zu.

 

 

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